Tausend Wunder … und ein Tropfen Ghulspucke #2

Hier geht das Abenteuer von Maljosh, Ambros und Zitara also weiter. Wir sind auf dem Weg zum gefährlichsten Dungeon in den sieben Königreichen und ihr erfahrt heute alles über Peregreins Gesetz der Berechenbarkeit. Wer übrigens den Anfang verpasst hat, kann hier den Einstieg in dieses völlig verrückte Abenteuer finden. 

 

Mit dem immer rascher zunehmenden Licht der Morgensonne stapften Zitara und Maljosh also los. Letzterer hatte darauf bestanden, die erbärmlich kränkliche Gestalt des Hamsters in einem Tragetuch unter der ledernen Rüstung mitzunehmen. Gegen das Argument, dass sie im anderen Fall niemals alle Teile seiner Seele erwischen würden, wenn er noch weitere aushustete, hatte nicht einmal Zitara etwas zu erwidern gewusst.

Sie selbst hatte sich mit dem Nötigsten ausgestattet, was für eine solche Expedition gebraucht wurde. Ein langes Seil, ein paar feste Schnürstiefel, die mit ihrem bunten Gewand zusammen sehr martialisch wirkten, ein paar simple aber wirkungsvolle Runen für allerlei Zwecke und natürlich ihre Tranktasche. Maljosh schielte dabei immer wieder neugierig auf den Beutel in den sie alles wildwütig hineingeworfen hatte. Zitara behielt ihn und vor allem seine Finger dabei genau im Auge.

Der Weg von ihrem Haus führte sie eine gute halbe Stunde noch durch das normale raue Ödland der Vorgebirge. Dann erreichten sie die Schlucht, durch die sie zum Eingang der Grotte gelangen konnten. Ein großer hölzerner Wegweiser stand an der Stelle, wo es auf dem steinigen Geröllhang abwärts ginng. Ein Totenkopf prangte mitten darauf. In elfischen Runen stand ‚Fremder, der du unglücklichen Fußes diesen Weg gefunden, kehre um!‘ darauf. Mit roter Farbe, – oder vielleicht auch Blut- , hatte jemand in Gemeinschrift ‚!!!Todesgefahr, ab diesem Punkt ist mit Geistern, Wyvern, Weltumschlinger, Drachen und anderem Gesocks zu rechnen!!!‘, geschrieben.

Maljoshs Gesicht verzog sich. Er starrte Zitara einen Augenblick lang an, doch die schien gar nicht auf den Wegweiser zu achten und hatte schon den Abstieg auf dem Geröllfeld begonnen.

„Kommst du, oder willt du da Wurzeln schlagen?“, fragte sie von unten herauf.

„Hast du nicht gelesen, was da steht?“, fragte der Gnom entsetzt und rührte sich keinen Meter.

„Ich weiß, was da steht. Ich habs geschrieben. Diesen Elfenquatsch versteht doch sonst keiner.“

So langsam war sie außer Hörweite und weil Maljosh nicht schreien wollte, kletterte er ihr nun doch hastig hinterher.

„Wie jetzt, du hast das geschrieben? Sag bloß du warst schon mal dort?“

„Ständig“, entgegnete Zitara, ohne sich dabei umzublicken. Das Schweigen, das auf diese Aussage folgte, sprach allerdings für sich, und so setzte sie erklärend hinzu: „ Was glaubst du eigentlich, warum ich mich hier niedergelassen habe? Weil’s so ne nette Gegend ist? Weil man hier so viel unternehmen kann? Wohl kaum. Dramurien ist so ungefähr der toteste Winkel in den sieben Königreichen. Das ist allgemein bekannt. Das einzige was es hier gibt, ist die Grotte.“

„Ja aber das ist doch eigentlich nur was für Verrückte und lebensmüde Möchtegern-Helden, die glauben, sie könnten zu Ruhm und Reichtum gelangen.“

„Nicht, wenn man weiß, wie die Grotte der tausend Wunder funktioniert.“

Jetzt blieb sie kurz stehen, sah ihn an, – wieder stellte sie dabei fest, dass sie und er in etwa gleichgroß waren, was sie ungeheuer wurmte -, und tat mit unverkennbarem Stolz in der Stimme kund: „Es ist ganz einfach, wenn man Peregreins Gesetzt der Berechenbarkeit nicht nur auf Tränke anwendet, sondern auf prinzipiell alles um uns herum. Die These besagt, dass Tränke konzentrisch und in der Macht ihrer Wirksamkeit gebraut werden sollten. Sprich, hast du einen Stufe eins Liebeshex, einen Blindwurmbann und einen Klasse sieben Fluchbann an einem Tag zu vollbringen, dann fang mit dem geringsten an und nicht einfach in beliebiger Reihenfolge.“

Maljosh klappte der Mund auf, doch Zitara war nun ganz in ihrem Element und holte zwischen den einzelnen Sätzen kaum Luft.

„Wenn du nun von diesem Gesetz ausgehend dir einmal unsere Welt betrachtest, dann wirst du feststellen, dass in der Mitte der sieben Königreiche die großen Städte liegen. Das Leben da ist sicher und einfach. Je weiter man sich zu den Rändern wagt, um so unwirtlicher und beschwerlicher und damit auch gefährlicher wird es. Ich habe mal auf einer Karte versucht, Zonen einzuteilen. Demnach befinden wir uns in Zone sechs. Also maximale Gefahr.“

„Aha“, kommentierte Maljosh und trottete ergeben hinter Zitara her, „Und was ist dann Zone sieben?“ – Er ging einfach mal davon aus, dass es eine siebte geben musste, denn einfach alles in den Königreichen wurde immer in sieben Teile geteilt. –

„Die beginnt jenseits der bekannten Grenzen. Ich habe sie sicherer Tod genannt.“

Maljosh schluckte. Zitara plapperte fröhlich weiter: „So und nun nimm dieses Wissen und dann überleg dir, was es für die Grotte bedeuten könnte.“

Maljosh dachte angestrengt nach, doch irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, worauf Zitara hinauswollte. „Kein Plan“, gab er schließlich zu.

Zitara grinst selbstzufrieden. „Na, nach dieser Annahme könnte es fast mit neunnundneunzigprozentiger Sicherheit bedeuten, dass du auch sieben Teile, Systeme oder Ebenen oder was auch immer in der Grotte finden wirst. Ein paar Lurker und Schlammolche, Ratten und anderes Kroppzeugs in der ersten davon. Naja, Gefahren eben, mit denen man fertig wird, wenn man sich nicht ganz ungeschickt anstellt. Doch je tiefer man kommt, umso schlimmer wird es. Also muss man im Prinzip nur wissen, in welche Stufe man sich selbst einteilen sollte, und schwuppdiwupp kann man sich gefahrlos in der Grotte bewegen“

„Und warum sollte man das wollen?“

Sie hatten nun den Grund der Schlucht erreicht und konnten den gewundenen Pfad entlangblicken, der in einer Hängebrücke mündete. Dahinter klaffte eine große, schwarze Finsterniss auf, wie das Maul einer Bestie, die nur auf neue Opfer wartete.

„Ach Dummerchen!“, schüttelte Zitara ungläubig den Kopf und stapfte weiterhin ungebremst auf die Hängebrücke und ihren unausweichlich scheinenden Tod zu. „Man kann nirgends so billig an Zutaten kommen, wie da unten. Weißt du, was ich auf dem Markt für ein paar Wandleraugen oder eine Draugenzunge bezahle?“

Da Maljosh nicht einmal wusste, was genau ein Drauge überhaupt sein sollte, verkniff er sich jede Erwiderung und beeilte sich mit Zitara Schritt zu halten.

Als sie gemeinsam nun die Hängebrücke erreichten kam ein heftiger Wind auf und ließ die Bretter unheilvoll über dem Abgrund hin und her schaukeln. „Pass auf“, warnte Zitara Maljoh vor, „einige der Planken sind schon recht alt und morsch. Ich habe sie mit roter Erde markiert, doch der Regen wäscht sie immer wieder ab. Also halt dich am besten einfach gut am Seil fest. Ach ja, und nicht nach unten schauen.“

Maljosh wollte nickte. Doch wie man eben sofort an einen rosagepunkteten Wasserspeier denken musste, wenn jemand sagte ‚denk nicht dran‘, konnte er der Versuchung nicht widerstehen und blickte in die Tiefe.

Benommen taumelte er zwei Schritte zurück. Leere, war dort auszumachen. Nichts als gähnende Leere, die sich in der Dunkelheit verlor. Genau wie das schwarze Loch da vor ihnen auf der anderen Seite der Brücke. Sein Magen drehte sich einmal um sich selbst. Sterne tanzten vor seinen Augen.

Warum, dachte er sich. Warum hatte er sich darauf nur eingelassen?

Aus dem Beutel vor seiner Brust erklang nun aber ein dünnes Keuchen und erinnerte ihn daran, was Ambros für ihn riskiert hatte. Nein, er konnte ihn nicht einfach so im Stich lassen. Wenn er gesund würde und seine Fähigkeiten zurück erlangte vielleicht hatten sie dann ja doch noch die Chance sich noch einmal an Roxxors Tresor zu versuchen.

„He!“, drang es da an sein Ohr. „Nicht träumen. Weitergehen. Und zwar flott. Wenn du zu lange stehen bleibst oder zu laut trampelst, dann werden die Felsenbeißer auf dich aufmerksam.“

„Felsenbeißer?“

Zitara schlug sich die Hand vor den Kopf. Wo hatte diese Gnom eigentlich bisher sein Leben verbracht? In einer Werkstatt? Konnte eigentlich nicht sein; – nicht wenn er den neuen Märkten angehörte. „Das sind lästige Viecher“, erklärte sie neunmalklug. „Nicht gefährlich. Aber es tut weh, wenn sie sich dir an die Wade hängen. Die Blutergüsse wirste tagelang nicht los. Nicht mal mit Omas Trauma-Spezial.“

Maljosh nickte wieder. Mit jedem Wort, das sie sagte, kam er sich dümmer vor. Doch für Ambros würde er alles wagen. Für Ambros, und die winzige, kaum vorhandene Wahrscheinlichkeit, doch noch seine Familienehre wiederherstellen zu können.

 

… to be continued.

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