Cybermobbing – eines von vielen Problemen der gläsernen Gesellschaft
Mit diesem Beitrag möchte ich heute die Kampagne starten, die ich mit einigen tollen engagierten Bloggern geplant haben. Ausgehend von ihren Rezensionen zu meinem Jugendbuch “Der Axolotlkönig” kamen wir ins Gespräch und stellten fest, dass uns alle das Thema in irgendeiner Weise berührt und am Herzen liegt.
“12. November im schrecklichsten Jahr meines Lebens …”
Damit beginnt in der Geschichte, die erst locker und fröhlich-frech daher kommt, das Tagebuch meiner Protagonistin Leonie. Sehr bald wird klar, dass sie selbst nur bedingt Anteil daran hat, dass dieses Jahr an der neuen Schule für sie zum Spießrutenlauf durch die Hölle wird.
Ein Spießrutenlauf, der mir selbst nur allzu bekannt ist
Seit der Veröffentlichung im Februar bin ich in zahlreichen Interviews gefragt worden, ob ich mich denn selbst mit der Figur der Leonie identifizieren kann. Ein Mädchen, das schlicht aufgrund seines Andersartigkeit – anderer Musikgeschmack, andere Klamotten, anderer Look – von seinen Mitschülern gehänselt und bloßgestellt wird.
Bisher habe ich immer gesagt: Nein. Denn es stimmt. So verzweifelt wie Leonie bin ich nie gewesen.
Dennoch kann ich mich, so rückblickend, nicht daran erinnern, dass ich in der Schulzeit jemals ‘dazu’ gehört hätte. Klar hat man Freunde, doch wie meist bei Teenagern halten solche Freundschaften selten lang und wechseln oft.
In der Oberstufe auf der Abschlussfahrt gab es schließlich ein Ereignis, dessen Details ich heute, so oft ich sie rekapituliere, noch immer nicht ganz fassen kann, weil es unwirklich und abstrus wirkt, was damals wie zum nächsten führte. Danach, das ist mir noch sehr präsent, war ich im Jahrgang jemand, der auf den Gängen gemieden und geschnitten wurde. Für etwas, an dem ich nicht die schuld trug, weil es überhhaupt keine Situation war, in der ein Schuldiger zu finden gewesen wäre. Dennoch war es die bequemste Lösung für alle anderen mich rauszupicken und zu sagen: Du hast diesen Abend ruiniert.
Heute weiß ich: Ich würde genauso wieder handeln.
Ein Märchen als Vermittler
Ohne es bewusst zu merken, hat mich die Situation damals krank gemacht. So krank, dass ich während meiner Abiturprüfungen ins Krankenhaus musste. Es hat nicht nur meine körperliche Gesundheit beeinträchtigt sondern damit auch alle meine Lebensträume in Gefahr gebracht. Tiermedizin konnte ich nur mit einem Nummerus Clausus studieren, und den zu erreichen wurde in dieser Situation extrem schwer.
Am Ende wandte sich dennoch alles zum Guten. Mein Freundeskreis, der mit der Schule kaum Überschneidungen kennt, half mir, Abstand zu gewinnen. Und als Jahre später eine ehemalige Freundin zu mir kam und sich für all das entschuldigte, was damals geschehen war, platzte schließlich der Knoten in meiner Brust, von dem ich nicht wirklich wusste, dass er da war.
Mit meinen Veröffentlichungen des Stern von Erui trieb ich mich auch mehr in den sozialen Netzwerken herum und mir wurde irgendwann bewusst, was da teilweise sehr subtil, teilweise ganz offen, so vor sich ging. Ich unterhielt mich mit Teenagern, die betroffen waren und ich verspürte immer mehr den Drang, mit einer Geschichte auf dieses Problem aufmerksam zu machen.
Doch eine Autobiografie der damaligen Ereignisse schien mir nicht an die richtigen Leute gewandt zu sein. So etwas lasen nur jene, die sich ohnehin schon mit dem Thema befassten.
Die Gründung der Märchenspinnerei hat somit den Auslöser dafür gegeben, dass ich mein verrückte moderne Froschkönig-Adaption diesem Ziel widmete: Ein Märchen als Ausgangspunkt. Eine vertraute Geschichte. Ein altbekanntes Muster, dass Leser jeden Alters ansprechen konnte, ohne mit der moralischen Keule zu schwingen. Und dennoch eine Plattform an all jene zu appellieren, die in dieser Maschinerie aus Likes und Dislikes gefangen sind, es vielleicht selbst nicht immer merken.
Worte haben Macht
Worte können verletzen. Sie können tiefer schneiden als Messer und Glasscherben und sie können aus einem lebensfrohen, lustigen Menschen ein zurückgezogenes Häufchen Elend machen, das manchmal keinen anderen Ausweg sieht, als sich selbst für etwas zu bestrafen, für dass er nichts kann.
Jugendliche sind dafür besonders gefährdet, denn sie haben ihren Platz im Leben noch nicht gefunden, orientieren sich viel an anderen, suchen Idole und Ideale, denen sie nacheifern können.
Ich bin heute froh, dass Facebook zu meiner Schulzeit noch kein Thema war, denn ich möchte mir nicht vorstellen, was dann passiert wäre.
So kann ich heute sagen: Das Mobbing hat mich geprägt, aber nie zerstört. Und darum danke ich all den Bloggern, die sich mit mir dazu berufen fühlen, in den nächsten zehn Tagen ihre Gedanken und ihre Erfahrungen zum Thema Mobbing zu teilen.
Es fällt nicht immer leicht, und doch ist es so wichtig.
Für jene, die Opfer davon sind will ich sagen: Ihr seid nicht allein. Ihr könnt Hilfe finden und Verständnis und es ist nichts schlimmes und Peinliches daran.
Für jene, die vielleicht auch unbewusst, Täter sind, möchte ich mit auf den Weg geben: Wägt jedes Wort, dass ihr über die sozialen Medien schickt, weise ab. Manchmal haltet ihr mit einem einzigen Kommentar ein Menschenleben in der Hand – oft ohne es zu wissen.
Eure Sylvia
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Tag 4 findet ihr bei der Lesemaus Rebecca.