Keine Anleitung – nur ein Erfahrungsbericht
Ich sehe und lese sie immer wieder, die schlauen Ratgeber-Artikel, die einem erklären, wie man dies und das und jenes tut. So einer ist das hier nicht. Meine Philosophie ist, dass wir alle sehr unterschiedlich sind und unsere Wege, Dinge zu tun, sind es ebenso.
Manche lesen all diese Schreibratgeber und setzen sich dann hin und erschaffen einen tollen Roman. Manche schaffen es trotz tausend Kursen nicht, und andere, so auch ich, machen einfach, und am Ende kommt ein Buch raus … oder drei … und dann werden es immer mehr.
Natürliches Wachstum auch für phantastische Welten
Dieser Artikel hier entsteht auf der Frage, wie genau ich Erui eigentlich erschaffen habe. also, wie es entstanden ist.
Angedeutet habe ich das ja immer wieder mal in diversen Artikeln und Interviews, doch tatsächlich kann ich euch einen ziemlich detaillierten Werdegang meiner Welt benennen. Und eins ist dabei sicher: Sie entstand nicht einfach über Nacht. Sie war immer irgendwo ein Teil von mir, solange ich denken kann. Aber wie auch ich hat sie sich verändert und musste erst reifen, um zu der Welt zu werden, die ihr im Stern von Erui bereisen könnt.
Am einfachsten mache ich es mir da vermutlich, indem ich diesen Werdegang in drei Phasen einteile:
Die Frühphase – Eruis erste Anfänge, erste Strukturen, die ich im Kopf hatte und die es von den ersten Tagträumen bis in meine fertige Welt geschafft haben.
Die Phase des Bewusstwerdens – Erui bekam seinen Namen, der Plan, die Geschichte um Aljana und Llewellyn niederzuschreiben, stand fest.
Das Verwerfen der ersten Version und damit die Neufassung der endgültigen Trilogie.
Frühphase – Alles nur in meinem Kopf
Ich gebe es frei und offen zu: Ich war und bin eine Tagträumerin. Und damit ja vermutlich nicht allein. Also Hände hoch, wer als Kind auch diesen Ort in seinem Kopf hatte, an den er flüchten konnte, wann immer die Welt ihn nervte, langweilte oder sogar unerträglich war. Der Ort angefüllt mit den Helden aus Büchern, Comicy, Serien, Filmen mit denen man schon immer gemeinsam Abenteuer erleben konnte, so wie man wollte.
Für mich lag diese Welt stets in einer Blase umgeben von Nebel, durch den ich treten konnte und schwupps war ich da. Ich erinnere mich sogar noch ziemlich genau, wer so alles dieses Kopfkino bevölkert hat, aber das ist so persönlich, dass es nur mir gehört.
Nur eine Parallele zu Erui gibt es: Ich selbst konnte damals schon immer die sein, die mit einem Schwert in der Hand die Welt rettete. 😉
Phase 2 – Erui bekommt seinen Namen
Irgendwann schlichen sich in meine Tagträume dann aber auch immer wieder diese Geschichten und Dialoge von ganz anderen Geschehnissen, die mit dem übrigen nicht viel zu tun zu haben schienen. Eine eigene Geschichte mit eigenen Figuren, die ich nicht irgendwo entliehen hatte, wuchs.
Mit elf beendete ich mein erstes Buch und als ich zwölf/dreizehn war, wurde es veröffentlicht. Ziemlich genau in diese Phase kann ich den Gedanken legen, dass ich diese Geschichte, die ich immer wieder sah, von meiner Traumwelt loskoppeln wollte, um ihre ihre ganz eigene Welt zu geben.
Die Zeilen, die ihr aus dem Anfang von Band eins kennt, schrieb ich in ihrer ersten Version mit 14:
Nebel.
Blicke verlieren sich darin. … Alles verzerrt, verschwommen.
Graue Unwirklichkeit. …
Aus dem Gedanken, was mit Träumereien passiert, wenn man sie fertig geträumt hat, folgte schließlich die Schöpfungsgeschichte Eruis, mit der der spätere zweite Band eröffnet wird und ebenfalls damals fand ich den richtigen Namen für diese Welt.
Angelehnt an einige Namen aus alt-irischer Folklore und nordischen Geschichte kam er mir in den Sinn und ich dreht ihn im Kopf hin und her und fand ihn passend. Danach gab es für Erui kein Halten mehr. Es wuchs und wuchs und auch die Geschichte vom Stern erzählte sich wie von allein.
Ich begann es aufzuschreiben und war nach 200 Seiten ziemlich stolz auf mich. Auch alle Freunde, denen ich es zu lesen gab, fanden es toll. Alle, bis auf einen. Dieser eine, mein bester Freund, bestätigte, was ich selbst schon die ganze Zeit im Gefühl hatte, aber hören wollte ich das natürlich nicht: Die Geschichte war ganz nett, aber bei weitem noch nicht der packende Epos, den ich in meinem Kopf wie einen Film vorwärts und rückwärts laufen lassen konnte.
Phase 3 – nichts macht so glaubwürdig, wie eigene Erfahrungen

Dieses Kostüm stammt noch aus meiner RPG-Zeit.
Ich hatte es mit 15 schon geahnt und sogar in einem meiner sporadischen Tagebucheinträge festgehalten, dass ich glaubte, dass ich diese Geschichte erst richtig erzählen könnte, wenn ich selbst ein wenig älter geworden war. Mein bester Freund und mein Gefühl bestätigten mir das nur, auch wenn ein Teil von mir sich an die Idee klammern wollte, dass ich doch schon eine ganz schön imposante Geschichte geschaffen hatte.
Was mir allerdings half, meine Figuren in ein neues Licht zu rücken, war gerade mein neuer Freundeskreis, den ich durch Live-RPG kennengelernt hatte. Unser Spiel „Archaica“ basierte auf dem Prinzip, dass unsere Welt mit den ‚Schleierreichen‘ verbunden war. Es gab die sechs Sphären: Ordnung-Licht-Leben-Chaos-Dunkelheit-Tod. Zwischen Ordnung und Licht lag die Sphäre der Engel, zwischen Licht und Leben die der hellen Feen, zwischen Leben und Chaos die der Werwesen, zwischen Chaos und Dunkelheit das Reich der Dämonen, zwischen Dunkelheit und Tod das der Geister und zwischen Tod und Ordnung das der Vampire. Alle diese Wesen waren in ihren Ansichten starr und konnten nur nach den Prinzipien ihrer Reiche handeln. Ein Setting, das so nah an der Entstehung Eruis war, dass ich es wagte, einen Character zu erschaffen, der mich meiner Protagonisten nahe bringen sollte.
Als Lichtfee Aljana habe ich fortan die Schleierdomäne Limburg vor dem Einfluss der dunkeln Sphären zu bewahren versucht und festgestellt, wie schwierig es ist, wenn man als Kreatur des Lichtes nur auf die Methoden der guten Seite zurückgreifen kann. Verrat, Mord, Intrigen, wann immer wir die Instrumente der Feinde benutzten, gab es Brüche in unserem Charakter, die uns selbst mehr und mehr auf die dunkle Seite zogen.
Wir haben Abende lang darüber diskutiert, ob und wie es möglich sei, eine Welt zum Guten zu kehren, ohne die eigenen Prinzipien zu verraten, und je tiefer ich in dieses Denken geriet, umso mehr flossen diese philosophischen Gedanken auch in den Stern.
Am Ende hat unser Bündnis an Lichtfeen und Engelswesen übrigens das Spiel für sich entschieden und eine Domäne des Lichtes erschaffen. Doch für mich war das kein Triumph. Unter den mächtigen Gesetzen, die wir nach den Regeln damit ausrufen durften, wurden gnadenlos und ohne Wenn und Aber Alle dunklen Wesen und Anhänger dunkler Sphären entmachtet oder hingerichtet. Ein bitterer Beigeschmack, der zu einem Neustart des Spiels führte und für mich zu einer Erkenntnis: Ich hatte selbst nur Mitleid. Mitleid für Wesen, die nach den Regeln dazu verdammt waren, niemals Freundschaft, Liebe, Ehrlichkeit und Wahrheit kennenzulernen und ich nahm die Lehre zusammen mit der Kritik meines Freundes mit in mein Sabbatjahr, wo die Gedanken schließlich die neue Version des Sterns ins Rollen brachten.
Gut und Böse, Licht und Schatten, Tod und Leben – all das sind Aspekte des Menschseins. Anders, als die Wesen, die auch in meiner Geschichte dazu verdammt sind, nur das eine zu kennen, ohne das andere je erreichen zu können, hingen meine Protagonisten mit ihren Herzen und Seelen zwischen all diesen Welten in der Luft.
die Geschichte hat sich in der Neufassung nicht verändert, doch die Sicht, die ich dem Leser darauf gewährte, drehte sich gewaltig. Das Rätsel um den Kern unserer Seele wollte ich von allen Seiten beleuchten. Keinem Charakter von Anfang an den Vertrauensvorschuss der Hauptprotagonisten geben, damit man sich ganz einlassen konnte, auf die Suche nach der Wahrheit und die Erkenntnis unter wie vielen Versionen der Wirklichkeit diese manchmal verborgen liegt.
Darum gibt es letztlich so viele wechselnde Perspektiven. Wie bei einem Blick durch ein Kaleidoskop kann man nur durch das Zusammenfügen jeder einzelnen davon am Ende das Große Ganze sehen.
so, liebe Janina, jetzt weißt du (so grob und im Schnelldurchlauf), wie der Stern von Erui entstanden ist. Zumindest manche Aspekte davon. Ich hoffe, dir und allen anderen, die diesen Artikel lesen, hat es Freude gemacht.
Und wie ihr seht: Es ist nur eine mögliche Methode, Welten zu erschaffen. Andere Autoren haben ihre eigenen und das ist gut so, sonst würden wir alle dieselbe Geschichte auf dieselbe Weise erzählen.
Einen schönen Sonntag 🙂

Der Stern von Erui- ein Schattenspiel (von meiner geschätzten Kollegin Theresa Bauer)
Eure Sylvi
Kluge Worte, wie immer. Danke