Drachengeburt

Mit literarischen Adventskalender wird man ja zugeschüttet dieses Jahr, darum gibt es bei mir auch keinen. Aber Nikolaus ist eine Ausnahme. Darum gibt es heute einen kleinen Schnipsel von mir. Er gehört in kein größeres Werk. Ich habe ihn geschrieben um mich auf mein Novemberprojekt dieses Jahr einzustimmen (Das Herz des blauen Drachen).

Ein kleiner Einblick wie es sein könnte, wenn am Drachenberg in Erui neues Leben aus den feurigen Felsen erwacht und zum Himmel aufsteigt. Meine Drachenkinder für euch. Ich wünsche euch einen wunderschönen zweiten Advent.

 

Überall wäre das Gelege aus glutroten Eierschalen mit den zartgoldenen Streifen aufgefallen. Überall, nur nicht in diesem abgelgenen Winkel der speienden Schlucht. Zwischen den zähfließenden Bächen kochender Lava, weiß und hellorange strahlend, gingen die fragilen Schalen unter und hoben sich kaum ab von der Landschaft die heißer zu glühen schien, als der Kern der Erde selbst. Kochender, schwefelgelber Dampf stieg hin und wieder aus einzelnen Erdspalten auf und entfleuchte zum Himmel. Dort nahm er für Augenblicke die Sicht auf den Berg, der in der Ferne aufragte. Riesige Schwärme schwingentragender Echsen umflogen ihn.

Dort unter ihnen befand sich auch das Drachenweibchen, das vor Jahr und Tag das Gelege an den Hang eines der heißesten Vulkane dieser Gegend gelegt hatte. – Die Eier des roten Schwarms brauchten die Hitze, den Dampf und mit sehr viel Glück auch genug Schwefel, der sich als feine Schicht auf den Eiern ablagerte, den schlüpfenden Jungen direkt in die geblähten Nüstern kroch, um ihnen gleich die ersten Flammen zu entlocken.

Ein Geysir in der Nähe sprühte zornig zischend Dampf in die Luft und als er sich legte, als das Zischen nachließ, war es für einen Moment totenstill. Dann zerriss ein Krachen diese Stille, ein Krachen, wie das Brechen eines Knochens oder das Bersten eines Schädels. Ein zweites gesellte sich dazu und dann ein drittes.

Die glutroten Eier bekamen feine Risse entlang ihrer goldenen Linien. Ein erstes sprang auf und ein Jungtier von rot-violetter Farbe entstieg der Schale. Die Schwefelkammer unter der Erde kommentierten seinen Schlupf mit einer geballten Ladung Dampf, den der junge Drache mit dem ersten Atemzug in die Lungen bekam. Eine wütende Flame schoss aus seinem Maul und traf das übrige Gelege.

Knack, knack! Zwei weitere barsten. Ein orangefarbener und ein kupferner Drache entstiegen ihren zu eng gewordenen Behausungen. Auch sie schüttelten sich. Dann blickten sie sich um, sahen einander an, sahen auf das Gelege mit ihren Geschwistern, die noch im Schlupf begriffen waren. Der Geysir zischte ein weiteres Mal und neue Schwefelfontänen schossen in die Luft.

Als wäre dies ein Zeichen, sprangen alle drei auf einmal in die Luft, klappten die ledrigen, noch ein wenig knittrigen Schwingen das erste Mal auf. Grelle Schreie donnerten durch die Schlucht. Der Berg begann zu rumoren. Aschewölkchen stoben empor aus dem Krater.

Der Orangeling stieß sich gleich hinauf bis zu seinem Rand, glitt dicht über den Lavasee dahinter. Seine Flügelspitzen tauchten ein Stück weit in das geschmolzene Gestein. Die Hitze ließ ihn schreien. Seine magentafarbene Schwester war ihm gefolgt. Er drehte sich um, spie eine Feuerfontäne in ihre Richtung. Sie duckte sich darunter weg. Ihr Atem sammelte sich. Die winzige Brust schwoll an. Eine Druckwelle fuhr in den See und Lava schwappte dem Bruder entgegen.

Auch der dritte Schlüpfling erhob sich über den Rand, dann ein vierter in flammenrot und ein fünfter, blauviolett, wie nur die heißesten Flammen werden können.

Feuer, Schwefel und Dampf machten die Winzlinge rasend vor Wut und Freude darüber, am Leben zu sein. Wütend über den See und den Hang hinweg tobend und rasend vor Zorn und ungebändigter Lebensfreude schossen die Jungtiere Stunden und Stunden dahin. Zu gefährlich selbst, als dass sich die Älteren in ihre Nähe trauten. Doch das mussten sie auch gar nicht. Die Zeit würde ihre Gemüter abkühlen. In fünfzig bis hundert Jahren würden sie sanfter, ruhiger werden, das Feuer in sich zu bezähmen wissen. Dann, wenn sie die Luft und den Boden um sich her nicht mehr jede Sekunde zu versengen drohten, würden sie zu dem riesigen Schwarm stoßen. Doch bis dahin konnten sie Feuer, Dampf und Schwefel spucken, so viel sie wollten.

So ist es und so war es schon immer, wenn die Drachen geboren wurden, an den Hängen des Irdonîn – der Heimat aller Drachen, weit im Südwesten der magichen Welt.

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