Lasst uns doch über Literatur reden! – Von Sinn und Unsinn gängiger Bewertungssysteme

Da stellt sich doch erstmal die Frage, was ist Literatur denn überhaupt?

Ich bin ja nur Phantastikautor (Vorsicht Ironie), darum musste ich das erstmal in Wikipedia nachschlagen. Hier aber mal zitiert für alle, die jetzt nicht mühsam auf den Link klicken wollen:

 

Literatur ist seit dem 19. Jahrhundert der Bereich aller mündlich (etwa durch Vers­formen und Rhythmus) oder schriftlich fixierten sprachlichen Zeugnisse. Man spricht in diesem „weiten“ Begriffsverständnis im Hinblick auf die hier gegebene schriftliche Fixierung etwa von „Fachliteratur“ oder, im Bereich der Musik, von „Notenliteratur“ (Partituren) bzw. ganz allgemein von „Literatur“ im Sinne der Gesamtheit oder von Teilen schriftlich notierter Musik.

Die öffentliche Literaturdiskussion und -analyse ist demgegenüber seit dem 19. Jahrhundert auf Werke ausgerichtet, denen besondere Bedeutung als Kunst zugesprochen werden kann, und die man im selben Moment von Trivialliteratur und ähnlichen Werken ohne vergleichbare „literarische“, sprich künstlerische Qualität, abgrenzt. Die Literatur zählt zu den Gattungen der Kunst.

Wie ihr schon seht, ist diese Definition noch gar nicht so alt. Wenn man mal bedenkt, dass die Menschen schon geschrieben und auch aufgeschrieben haben, seit die alten Sumerer die Keilschrift erfanden. Was aber auf jeden Fall aus der obigen Definition anklingt, ist die Unterscheidung von Schrifttum in Triviales (Trivialliteratur) und eben die Hochliteratur. Und ja, auch hier würden jetzt einige ‚echte‘ Literaturkritiker sagen, dass ich als ‚Fantasy-Schreiber‘ aufhören müsste mitzureden. Punkt.

 

Aber ihr kennt mich ja mittlerweile und ich kann mein Klappe eben doch nicht halten.

Darum dürft ihr auch den Rest dieses Traktates noch ertragen. Und warum? Na, weil ich heute in der Mittagspause eine wundervolle, von meiner Seite aus nicht sehr heftige, aber umso anregendere Auseinandersetzung mit einer Kollegin hatte. Es ging schlicht um ein paar Rezensionen, die mir sauer aufstießen und ihr nicht.

Aber eben nicht, wegen den Sternen, die vergeben, oder nicht vergeben wurden. (Sterne habe ich doch zur Genüge und produziere ständig nach 😉 ) Nein. Gerade, dass es bei heutige Bewertungen eben nur um dieses starre 5-Sterne-Modell geht, und nicht über die Auseinandersetzung mit Texten, das stört mich. Das stört mich gewaltig. Wenn einer einfach sagt: Boah, die Story ist nix für mich. Dann ist mir das doch egal. Ich schreibe doch für alle die, die sich in meinen Texten wiederfinden. Und manchmal überrascht es mich dann sogar, wer das alles so ist.

 

Doch noch einmal zurück zu den 5 Sternen.

Die vergibt jeder ja nach einem anderen Schema. Manche vergeben fast nie 5 Sterne. (Außer für Harry Potter, Herr der Ringe und Fifty Shades of Grey, versteht sich.) Und manche vergeben nur fünf Sterne, denn alle anderen Bücher sind es gar nicht wert, dass man ihnen eine Rezension widmen, oder aber, sie wollen nicht dran schuld sein, dass sich aufgrund der Kritik irgendwo ein sensibler Autor erhängt, oder aber, weil sie wenig anspruch an Bücher haben, oder weil sie grad nur die lesen, die eh gut sind.

Ihr seht, es gibt eine Millionen Gründe und Möglichkeiten, wie in dem gängigen fünf-Punkte-System bewertet werden kann. Ich selbst habe mit dem Ende meines Elfenbeinturm-Daseins (Damit meine ich die Veröffentlichung von Heimkehr) in den letzten zwei Jahren eine ganz schöne Wandlung meines Lese- und Rezensionsverhaltens durchgemacht. Und ich bin mittlerweile der Meinung: Autoren sind die schlechtesten Kritiker. In jeder Hinsicht.

Aber warum denn das?

Na, ganz einfach. Ein Autor ist NIEMALS neutral. NIEMALS. Erstens sind die meisten immer mit dem Kopf in den eigenen Werken. Was es unendlich schwer macht, sich überhaupt auf fremde Gedankenwelten einzulassen. Dann hat man anfangs wohl immer das Bedürfnis, in den Krümeln zu wühlen. Also sprich: man will etwas finden, das einem selbst an einem guten und emotional aufwühlenden Buch nicht gepasst hat, denn es gibt einem innerlich  das befriedigende Gefühl, dass selbst ganz große Nummern unter den Autoren Fehler machen und dann fühlt man sich nicht mehr ganz so klein und unbedeutend. Dann gibt es noch den Schlag Autoren, die Kollegen prinzipiell nie schlecht bewerten. Angst vor ‚Rache-Rezis‘, Kollegialität, man will niemandem auf die Füße treten, man fühlt sich verpflichtet – es gibt Millionen (schlechte) Gründe dafür.

Manchmal macht man auch all das als Phasen eines Entwicklungsprozesses durch und gehört bald zu der einen, bald zu der anderen Gruppen, bis man irgendwann aufhört, Rezis für Kollegen zu schreiben …

… denn egal, was man macht, es ist immer falsch.

Ich bin mittlerweile für mich an einem Punkt angekommen, an dem ich dieses völlig unzureichende 5-Sternesystem nehme und damit nicht die Qualität eines Buches bewerte (denn das lässt sich weiß Gott nicht in 5 lächerliche Sterne packen). Nein. Wenn ich bewerte, dann bin ich mir dessen bewusst, dass andere das vielleicht sehen. Es ist also erstens eine Empfehlung von mir an vielleicht künftige Leser eines Buches. Somit schreibe ich im Hinblick auf das, was wichtig wäre, über das Buch zu wissen.

Gleichzeitig ist es aber auch (oft das einzige) Feedback, das ein Autor für seine Mühen, seinen Schweiß, seine kreativen Zusammenbrüche, sein Künstlerblut und seine Tränen bekommt. Also sollte ich beim Schreiben schon auch an denjenigen denken, der es ‚abkriegt‘. Dazwischen nun die Balance zu finden und dennoch ehrlich zu bleiben, ist das Schwerste an der ganzen Sache.

Und dann kriege ich nur 5 verdammte Sterne!!!

Also zum Vergeben und differenzieren meine ich jetzt.

Was bei mir immer raus fliegt, ist die Coverbewertung. COVER! Darüber schreibe ich mal nen eigenen Beitrag. Aber eigentlich ist ein Buchcover nur ein Werbeschild und kein Qualitätsmerkmal eines Buches. (In der Trivialliteratur mag es vielleicht kaufentscheidend sein, aber darum geht es nicht.) Meinetwegen kann ein Autor seine Werke in Alditüten wickeln. Ich will ja was lesen, das mich begeistert und nicht ein schönes Bild in der Hand halten, das dazwischen 400 Seiten Müll enthält, weswegen ich es mir schlecht im Querformat an die Wand hängen will.

Sicher gehört zu einem guten Buch ein schönes Cover, das neugierig macht und eine Geschichte erzählt. Aber das Wertvolle befindet sich zwischen den Klappendeckeln.

Darum mache ich es mir seit geraumer Weile einfach.

Der innere Autor bleibt beim Lesen daheim. Und wenn ich das nicht kann, dann wird nicht gelesen. Was mich dann berührt, was mich fesselt, was mich aus irgendeinem Grund bei der Stange hält und mir ein Schmunzeln entlockt, mich zum Nachdenken oder zum Staunen bringt und ganz selten auch mal zum Lachen oder weinen, das hat es verdient, eine gute Bewertung zu kriegen. Allgemein gängig sind 4-5 Sterne.

Sogar 3 sind ja schon ‚kritisch‘. Wobei 3/5 noch mehr als die Hälfte sind. Aber kann man sich drüber streiten. Bei vielen heißen 3 Sterne schon: „Ich fands total doof, aber wenn ich weniger gebe, wird mir nachgesagt, böse Verrisse zu schreiben.“

Und genau das ist der Punkt, der an ‚Rezensionen‘ nervt.

Die meisten beginnen mit der Beschreibung des Covers und ziehen dann bei nicht Gefallen gleich einen Punkt ab. Scheißegal, wie gut das Buch gewesen ist. Wenn wir uns allein nur in Trivialliteratur bewegen, mag das vielleicht angeht, denn es geht ja allgemeinhin um den Unterhaltungswert und da spielt die Optik dann vielleicht doch eine Rolle. Aber ist die Haptik dann nicht ein ebenso großer Punkt? Und wenn ich dann als Print-Liebhaber gezwungen bin ein geiles Buch auf dem E-Reader zu lesen, weil es als Print nicht existiert, ziehe ich dann gleich mal nen Stern ab, weil ich es nicht anfassen kann? (Ja, ich höre euch schon ‚Schwachsinn!‘ rufen 😉 )

Was bei all dem aber auf der Strecke bleibt, ist die wirklich echte literarische Diskussion.

Vereinfachen wir uns mal die Definition vom Anfang und sagen: Trivia will nur eine Geschichte erzählen. ‚Echte‘ Literatur will darüber hinaus noch mehr.

Dann kommen wir doch in beiden Fällen erstmal zur Geschichte, dem sprichwörtlichen Kern des Pudels. Denn die für mich wirklich wichtigen Fragen bleiben nur allzu oft offen. Wie wird den erzählt? Wer erzählt? Erzählperspektive – die oft genug nicht richtig zugeordnet wird – und wenn, dann stellt niemand die Frage, warum der Autor diese Perspektive gewählt hätte und nicht eine andere. Geht es denn wirklich nur um die Geschichte? Oder gibt es am Ende doch noch etwas zwischen den Zeilen zu finden?

Und dann der Schreibstil. „Lässt sich gut und flüssig lesen.“ Das ist das höchste der Gefühle, was ich auf Buchblogs finde. Aber verdammt!!!

Da ist doch noch so viel mehr.

Manche Autoren verzaubern mit Bildhaftigkeit, ohne blumig zu werden. Manche sind blumig und es ist dennoch toll. Manche benutzen wenig Worte und erzählen doch ganz viel. Jeder schreibt anders. Oder zumindest sollte jeder anders schreiben. Denn wenn ich einen Autor vom anderen nicht an der Sprache unterscheiden kann, dann ist es wohl wirklich nur eine Geschichte um der Geschichte willen und ich kann bei den ausführlichen Coverdiskussionen in Pastell bleiben.

Ja. Ihr seht schon. Ich frage mich oft genug, ob da denn nicht noch mehr ist.

Buchbloger gibt es so viele, und zu lesen, um unterhalten zu werden, ist keine Schande. Aber fast jeder hat im Profil stehen, er liebe Literatur.

Dann ihr Lieben, lasst uns doch anfangen, über Literatur zu reden. Differenziert. Stellt die Fragen, die sonst keiner stellt. Taucht zwischen die Zeilen. Lernt, den Klang der Wortmelodien zu hören, die mancher Autor mit der Partitur der Worte zu spielen in der Lage ist.

Und dann brechen wir aus aus diesem Schema von 1-5 Sterne. Denn seien wir ehrlich: Manches Buch hätte 6 verdient und manches in unseren Augen nicht mal einen. Oder?

 

Einen schönen Abend.

 

Liebste Grüße,

 

Eure Sylvi

 

.P.S. Wer sich fragt, warum eine Katze das bild dieses Artikels geworden ist: Cat-Content! 😉 Vielleicht habe ich ja damit eure Aufmerksamkeit. 😉

 

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