Ja, ganz bewusst muss ich diesen Beitrag mal mit einer provokanten Überschrift versehen. Er ist die Antwort auf einen Artikel in einer Zeitung von angeblich ‚großem Format‘, in der ich persönlich gut recherchierte und dzidierte, mit Fakten unterlegte Berichterstattung erwarten würde und kein – verzeihen Sie bitte das Gamerjargon – ‚Rumgebashe‘ und Herumtrampeln auf einer vermeintlich einheitlichen Gruppe von Menschen (den Gamern), obwohl man von der Szene ungefähr so viel Ahnung zu haben scheint, wie das Krümelmonster in den 80ern von Gemüseeintopf.
Ich verlinke den Artikel auch mit Absicht nicht, denn Meinungen, die nicht mehr als hohle Phrasen sind, muss man nicht weiterverbreiten. Dennoch ist es mir ein Bedürfnis, dazu Stellung zu beziehen. Darum in Kürze: der Artikel behauptet schlichtweg, dass die Gamerszene ja nur so wimmle vor Subjekten, die sich mit der Nazi-Szene identifizieren und darauf warten, mit dem eigenen Gewehr im Anschlag auf der Straße die nächste Moschee zu überfallen.
Eine befreundete Autorin schrieb dazu: „Ja geht’s noch!“ und auch ich bin über solche Artikel einfach nur wütend.
Warum?
Weil ich in keiner anderen sozialen Gruppe meines Lebens je weniger rechte Meinungen gehört und erlebt habe, als in der Gamerszene, zu der ich mich ebenfalls zählen würde.
AHA! Mag jetzt manch einer denken. Auch so eine gescheiterte Existenz, die ihre ganze Freizeit vor dem PC verbringt und vor sich hin daddelt, Waffe im Anschlag, Hauptsache schön blutig.
Ich gestehe, manchmal ist es echt lustig einfach mal wieder in die Rolle eines Nachtelfdruiden zu schlüpfen und in Bärengestalt ein Dungeon voller Zombies zu leeren. Japp, ich gebe offen zu, das macht Spaß und entspannt sogar.
Doch mitnichten verspüre ich nach der Rückkehr aus der PC-Welt das Bedürfnis, mit einer geladenen Waffe im Anschlag die nächsten Fußgängerzone aufzusuchen, um ein paar Mitbürger mit Migrationshintergrund zu erschießen.
Zudem sehe ich mich als Frau mit medizinischem Hochschulabschluss, eigenem Betrieb mit 7 Mitarbeitern, veröffentlichte Autorin und bald Mutti nicht wirklich als gescheiterte Existenz, deren Leben nur durch das Abtauchen in fiktive Gamingwelten einen Sinn hat. Nein. Ich würde behaupten, ich bin eine 34-Jährige aus der Mitte der Gesellschaft.
Meine ganzen ‚Gamer-Freunde‘ sind das übrigens auch. Die meisten üben soziale Berufe aus, sind studiert und zeigen Engagement eher im ökologischen Bereich und im Bereich der Integration, als dass ihnen braune Parolen von den Lippen gehen. Überhaupt sind ‚Gamer‘ oder ‚Nerds‘ per se keine homogene Gruppe. Wir setzen uns, wie zum Beispiel ‚Fußballfans‘ oder ‚Handwerker‘ aus allen möglichen Teilen der Bevölkerung zusammen.
Ein paar braune Schafe gibt es da sicherlich auch, das will ich nicht bestreiten. Aber wenn ich mich umsehe, dann sehe ich derzeit kein ‚Gamer-Problem‘ in Deutschland. Ich sehe ein ‚Nazi-Problem‘. Und die müssen sich nicht mal mehr verstecken, sondern dürfen sogar in Parteien in die Landtage einziehen und werden von öffentlichen Geldern auch noch dafür bezahlt, dass sie Hass und braune Parolen verbreiten.
Also sehr verehrte, sehr uninformierte Autorin des fraglichen Artikels: Das nächste Mal vielleicht nicht aus dem eigenen begrenzten Nähkästchen plaudern und schlichtweg falsche Aussagen als Fakt propagieren. Aber vermutlich ist es sehr bequem, das zu tun, wenn einem ein großes Blatt den Rücken freihält. Kommentare meiner Kollegen und Gamer-Freunde, die der Artikel genauso wütend gemacht hat wie mich, wurden nämlich einfach weg zensiert.
Wer kann, der kann eben. Dennoch ist es nicht richtiger, nur weil man sich unbequeme Gegenstimmen vom Hals schaffen kann. Da nennt man nämlich Zensur. Und Wissen Sie, wer diese mit Bravour beherrschte? Die Nazis. Sollen wir jetzt auch mal voreilige Schlüsse ziehen?