Braucht die Welt eigentlich noch Helden?

„Ab wann ist ein Held ein wahrer Held?“

 

Sie sind in unseren Filmen, sie sind in unseren Serien. Auch in unseren Büchern, in Spielen und in Comics verfolgen sie uns. Selbst Spielzeuge sind nicht vor ihnen sicher. Sie sind allgegenwärtig: Helden.

Aber was sind Helden eigentlich? Haben wir in unserer heutigen Zeit noch Verwendung für sie? Können sie uns überhaupt noch wirklich noch echte Werte vermitteln, oder sind die Heroen der alten Zeit in eben Jener verhaftet und verwurzelt?

Als erstes müssen wir uns vielleicht anschauen, was ein Held eigentlich so macht. Egal ob Iron Man gegen Killerroboter kämpft, Aragorn gegen die Armeen Saurons in die Schlacht zieht oder Herkules die Hydra besiegt: Helden kämpfen gegen das böse. Sie lösen die Probleme, die der einfache Mensch nicht bewältigen kann und retten dabei meistens die Welt. Oder zumindest ein Bauerndorf.

 

Aber ist das überhaupt eine gute Sache?

„Natürlich ist es das!“, werden die meisten ohne zu zögern rufen. Doch schauen wir uns die Sache mal näher an.

Klar ist es gut und wichtig, dass der Held verhindert, dass die Menschheit Tod und Zerstörung anheim fallen. Jedoch fangen die Menschen irgendwann an, sich auf die Helden zu verlassen. Sie rufen sie wegen jedem Problem und verlernen, selbst Lösungen zu finden und sich zu wehren. Sie werden zu unmündigen Untergebenen und abhängig, obwohl die Absichten des Helden ursprünglich gut waren.

Ein anderer negativer Aspekt der Helden ist, dass ihre „Arbeit“ oft mit dem Sähen von Tod und Gewalt verbunden ist. Klar, es geht darum „das Böse“ zu bekämpfen. Aber wie oft findet man wirklich etwas „böses“ in der realen Welt? Ist es nicht oft besser, Probleme mit Diplomatie zu lösen und gemeinsame Wege zu finden, anstatt zu verteufeln und zu zerstören? Denn wie wir wissen, endet in der echten Welt die Geschichte nicht mit dem Tod des Monsters. Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Vor allem die Helden der Antike machen sich dessen oft schuldig. Heroen wie Herkules sind tumbe Schläger, die mit der Keule alles nieder machen, was sie als Monster ansehen. Selbst clevere Strategen, wie der listige Odysseus, nutzen ihren Verstand dazu, um Tod und Schmerz zu säen. Polyphem hätte dieses Auge bestimmt lieber behalten, und Troja hätte nicht unbedingt niedergebrannt werden müssen.

Sind solche Figuren also überhaupt noch geeignete Vorbilder in unserer heutigen Zeit?

Ich sage: Ja, das sind sie!

Das wahre Heldentum rührt nicht daher, dass diese Charaktere unsere Probleme lösen und das Böse bekämpfen. Ihre eigentliche Aufgabe ist eine viel wichtigere: Sie sollen uns inspirieren.

Der Zweck des Helden ist es, uns ein Vorbild zu sein, im richtigen Moment entschlossen zu handeln und das Richtige zu tun. Sie sollen uns zeigen, dass es immer einen Weg gibt, und dass wir mutig genug sein müssen, ihn zu beschreiten, wenn wir die beschützen wollen, die uns wichtig sind. Auch zeigen sie uns, dass wir bereit sein müssen, Opfer zu bringen und vielleicht sogar uns selbst aufzuopfern, um diese Ziele zu erreichen.

Nicht nur die Krieger und Schläger sind Helden, sondern alle, die mutig gegen ein Problem vorgehen und sich auch von heftigem Widerstand nicht unterkriegen lassen. Frodo ist nicht deshalb ein Held, weil er gegen Riesenspinnen und Ringgeister kämpft, sondern weil er eine unmögliche Aufgabe auf sich nimmt, die ihn zerstören wird, und die sonst keiner ertragen kann. Im Stern von Erui ist der wahre Held jener strauchelnde Charakter, der sich von Anfang an nie selbst kannte, immer wieder neu suchen musste und schließlich entgegen der Natur der Bürde, mit welcher er geboren wurde, den entscheidenden Schritt macht, um Erui zu retten.

Wie sagt es eine sehr bekannte Figur aus einem berühmten Kinderfilm einmal: „Ein wahrer Held wird nicht an der Größe seiner Kraft gemessen, sondern an der Kraft seines Herzens.“ (Hercules, Walt Disney 1995)  

Held sind letztlich die, welche die Welt nicht nur zu einem besseren Ort macht, sondern uns inspirieren, es ihnen gleich zu tun. Und dieses Heldentum hat in unserer Welt, mehr als sonst vielleicht, einen entscheidend wichtigen Platz.

 

Gastbeitrag von Christian Rieß

 

Dieser Beitrag ist Teil einer Blogreihe zum Thema: Kann Fantasy mehr, als nur unterhalten. Den gestrigen Beitrag findet ihr hier. 

 

 

6 comments

  1. Deine Betrachtung, dass die Menschen selbst verlernen nach Lösungen zu suchen, kam mir auch als erstes in den Sinn, als du schriebst „Sie lösen die Probleme, die der einfache Mensch nicht bewältigen kann […]“. Auch deinen zweiten Gedanken der Zerstörung finde ich klasse. Daran habe ich bislang noch gar nicht gedacht – nicht bewusst jedenfalls. Unterbewusst durchaus. Ich merke selbst, dass ich beim Schreiben kaum Schurken habe und meistens die Umstände selbst das Problem verursachen. Kein Mord und Totschlag.

    Interessant finde ich, dass du nach deinen Gedanken zu dem Punkt kommst, dass Helden dennoch wichtig sind. Die Inspiration finde ich in der Hinsicht wirklich logisch nachvollziehbar. Aber ich denke, dass nicht jede Geschichte einen klassischen Helden benötigt. Deshalb würde ich bei deiner abschließenden Betrachtung sogar noch einen Schritt weiter gehen: Jeder kann ein Held sein, sobald er die Augen nicht verschließt und bereit ist, die vor ihm liegenden Aufgaben anzunehmen. Dafür muss es kein strahlender Leuchtemann sein. Graustufen reichen völlig aus 🙂

    1. Danke Eluin,

      Es ging ja auch nicht um ‚jede‘ Geschichte. Doch so insgesamt in unserer Popkultur mit all ihren Para- und Subformen, ist da der wirkliche echte und klassische Held denn nicht schon lang obsolet geworden? Sind die Fantasy-Geschichten mit der großen Heldenreise, dem Sich-selbst-Finden und dem Kampf zwischen Gut und Böse längst überholt?

      Da sehe ich halt ein klares Nein. 🙂 Wir Menschen kommen in diese Welt und wir machen und auf die Suche. Jeder Mensch auf seine ganz eigene und diese Dinge, Schwarz, Weiß, Grau und alle Farben dazwischen, sie begegnen uns. 🙂

    2. Eluin, Du schreibst: „Jeder kann ein Held sein, sobald er die Augen nicht verschließt und bereit ist, die vor ihm liegenden Aufgaben anzunehmen. Dafür muss es kein strahlender Leuchtemann sein. Graustufen reichen völlig aus .“ Das bedeutet letztlich: Man sollte die Anforderungen an „Helden“ nicht zu hoch ansetzen. Und somit an sich selbst. Eltern sollten das wissen, denn wir machen so unglaublich viele Fehler mit unseren Kleinen, und trotzdem sind wir doch in den meisten Fällen (bis zu einem gewissen Alter) die „Helden“ unserer Kinder. Warum? Weil wir eben unser Bestes geben. Das ist manchmal nicht viel, aber es ist das, was man von uns erwarten kann, und was auch wir von uns erwarten sollten. Nicht mehr.
      Kaum jemand rettet auch nur ein Bauerndorf, ja nicht mal ein einziges Menschenleben. Aber das ist auch kein Maßstab, sondern eben, wie Christian sagt nur die Inspiration.

  2. Wobei dieses „Man ruft bei jedem Problemchen die Superhelden“ ja durchaus ironisch gebrochen und in den Superheldenmedien thematisiert wurde und wird, zumindest seit Neuestem.
    Superman darf sich ja in „Batman vs. Superman“ – auch wenn ich den Film an sich furchtbar fand – durchaus damit auseinandersetzen, dass er „Kollateralschaden“ verursacht und dass bei seinen Weltrettungsaktionen auch Unschuldige den Tod finden, die zufällig im Weg waren.
    Aber ich bin ganz bei dir, ich finde die strauchelnden, zerbrechlichen Helden viel interessanter. Die alten, inspirierenden Heldenreisenhelden… habe ich zu einem anderen Zeitpunkt in meiner Entwicklung aber gebraucht. Als Kind und Teenager. Da wurde die Heldenreise ja oft zum Ersatz für abgeschaffte Initiationsriten aus alter Zeit, mit den Helden vollzieht man eine (spirituelle) Reise.
    Nicht umsonst muss fast jeder antike Held, der was auf sich hielt, in die Unterwelt herabsteigen. Der symbolische Tod und die symbolische Wiedergeburt, wenn er wieder hervorkommt, stehen für das Eintreten in eine neue Lebensphase.
    Es ist ein faszinierendes und hochkomplexes Thema.

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